Autor: Leon L. Bensch
zuletzt aktualisiert am 20. Mai 2024
Solange die Aktienkurse steigen, sind alle glücklich und zufrieden. Doch die Lage ist alles andere als eindeutig. Manche Experten sehen dunkle Wolken auf die Märkte zukommen. Ist der Zenit erreicht?
„Er verkauft Aktien in einem der am stärksten überbewerteten Aktienmärkte der Geschichte, und sobald es zu einer ernsthaften Korrektur oder Rezession kommt, wird er sicher, wie er es immer tut, damit beginnen, diese Vermögenswerte zu ‚viel niedrigeren Preisen‘ zurückzukaufen“, sagt Paul Dietrich, Chef-Investmentstratege bei B. Riley Wealth Management über Warren Buffett.
Fallende Aktienkurse: Steht eine Trendwende an den Märkten bevor? (adobe.stock.com: Summit Art Creations)
Buffetts Investmentgesellschaft Berkshire Hathaway hatte im ersten Quartal des Jahres 116 Millionen seiner Lieblingsaktien von Apple verkauft. Das entspricht einer Reduzierung seiner Apple-Anteile um 12,8 Prozent und an seinem Gesamtportfolio sind es immer noch etwa sechs Prozent.
Seine Anteile an HP hat er zu 100 Prozent abgestoßen – das sind 22,8 Millionen Aktien im Wert von 684 Mio. US-Dollar. Ist Buffetts Verhalten ein Warnsignal, dass die Kurse demnächst die Gegenrichtung einschlagen?
Laut Business Insider erklärte Paul Dietrich, dass der Value-Investor Buffett unterbewertete Aktien schätze und teure meide. „Er tut das, was er anderen Investoren immer rät“, sagte Dietrich. „Kaufe niedrig und verkaufe hoch.“ Dies führt unweigerlich zu der Frage, ob der Starinvestor erkennt, dass das Markthoch demnächst erreicht sein könnte.
Obwohl ein Rücksetzer den überkauften Märkten guttun würde, bleibt ungewiss, ob aus einer Korrektur ein Crash wird. Dietrich zumindest warnt schon seit geraumer Zeit vor einer verheerenden Konjunkturabschwächung. Doch zumindest bis heute sehen das die Anleger anders. Denn wie ist es anders zu erklären, dass den düsteren Prognosen zum Trotz Dow Jones, S&P 500 und auch der Dax immer neue Hochs erreichen?
Dass die amerikanische Wirtschaft in eine Rezession gleite, so Gary Shilling im Gespräch mit Business Insider, sei zu erwarten. Sollte es dazu kommen, dann stünde der US-Aktienmarkt vor einer „heftigen Korrektur“, so Shilling. Der Marktexperte wies auf Warnzeichen für einen Abschwung hin, wie etwa einen schwächeren Arbeitsmarkt.
Der langjährige Finanzanalyst und Marktexperte Shilling rät Anlegern in den USA, dass sie sich auf eine Rezession einstellen sollten, und sieht den Aktienmarkt in diesem Jahr in einen Abgrund stürzen – er glaube an ein Abwärtspotenzial von bis zu 30 Prozent.
Aufgrund eines sich abkühlenden Arbeitsmarktes, hoher Zinsen und einer stagnierenden Arbeitslosenquote verdichteten sich immer mehr Anzeichen für ein schwächeres Wirtschaftswachstum bis zum Ende des Jahres. Hinzu komme, dass die Kündigungsrate im März auf etwa zwei Prozent gesunken sei. Arbeitnehmer seien weniger bereit, ihren Arbeitsplatz zu verlassen als in der Vergangenheit.
„Wenn diese Indikatoren schwächer werden, kann der tatsächliche Abschwung langwierig und unbeständig sein. Aber sie sind zuverlässig genug. Ich denke, dass eine Rezession in den USA noch in diesem Jahr beginnen wird, wenn sie nicht schon eingetreten ist“, sagte Shilling laut Business Insider weiter.
Das übermäßige Vertrauen der Anleger, der die Börsenrallye nun seit über fünf Monaten anheize, könnte mit einem Schlag vorbei sein und der Aktienmarktrallye den Todesstoß versetzen. Bereits Mitte der 2000er Jahre gehörte Shilling zu den Investoren, die die Subprime-Hypothekenblase kommen sahen.
Dass die Inflation in den USA nicht auf das gewünschte Niveau zurückgeht, wie es die Wächter der amerikanischen Zentralbank Fed hoffen, zeigt sich an den überraschend gestiegenen US-Erzeugerpreisen im April. Sie erhöhten sich im Vergleich zum Vormonat um 0,5 Prozent.
Die Erzeugerpreise gelten ab Werkstor – also bevor die Produkte weiterverarbeitet oder gehandelt werden. Damit geben sie frühe Signale für die Entwicklung der Preise für die Endverbraucher. Obwohl Experten mit einer ersten Zinssenkung durch die Fed im September rechnen, könnte sich dieser Termin nun weiter nach hinten verschieben.
Nach Einschätzung der Fed liegt die Wahrscheinlichkeit für ein Abgleiten der Wirtschaft in eine Rezession bis März nächsten Jahres bei 58 Prozent.
Die Aktienmärkte haben bereits drei Zinssenkungen eingepreist, die erste davon im Juni dieses Jahres. Bleiben die Leitzinsen länger hoch und werden erst später in einem ersten Zinsschritt gesenkt, könnte dem Bullenmarkt demnächst die Luft ausgehen.
Chris Vermeulen, Chief Investment Officer von Technical Traders, rechnet mit einem radikalen „Reset“ – der Aktienmarkt werde dann Jahre brauchen, um sich zu erholen, erklärte er in einem Interview mit Bloomberg. Vermeulen begründet seine Einschätzung damit, dass derzeit defensive Marktsegmente wie Edelmetalle, Energie- und Industrieaktien, die sich typischerweise in der Spätphase eines Bullenmarktes gut entwickeln, zulegen.
Außerdem hätten die Unternehmen nicht erkannt, dass wir uns am Ende eines Wachstumszyklus befänden. Ihre Investitionen in neue Maschinen und Anlagen kämen zu spät. Es gebe eine erhebliche Zeitverzögerung zwischen dem Rückgang der Geschäftstätigkeit und der Bestellung neuer Anlagen.
Der langanhaltende Bullenmarkt gehe seinem Ende zu und werde von einem Bärenmarkt abgelöst. „Wir stehen kurz vor einem großen Markthoch, quasi einem finanziellen Reset", so Vermeulen. „Es ist kurzfristig schmerzhaft, aber notwendig. Märkte benötigen regelmäßige Rücksetzer und Korrekturen, um weiter steigen zu können.“ Anleger müssten mit einem Rückgang ihres investierten Vermögens von bis zu 50 Prozent im Verlauf der nächsten zwölf Monate rechnen.
Kommt es zu einer Korrektur oder gar zu einem Crash beim S&P 500, käme der Deutsche Leitindex Dax nicht ungeschoren davon. Das war bei den Crashs 2000, 2008, 2015 und 2020 so – auch wenn die Brandherde der Dotcom-Blase und der Subprime-Markt-Krise in den USA zu verorten war.
Zudem sind die Dax-40-Unternehmen international tätige Konzerne, die ihre Umsätze und Gewinne weltweit einfahren. Die Krise der deutschen Wirtschaft macht sich bei Allianz, Siemens und Co. nur zum Teil bemerkbar. Eine Rezession in den USA würde die Unternehmen ebenso treffen.
Der Umsatz der Dax-Konzerne ist im ersten Quartal nach Angaben der Beratungsgesellschaft EY um 3,6 Prozent auf 449 Milliarden Euro gesunken. Während die Banken die Erwartungen der Analysten übertrafen, schwächelten vor allem die Autohersteller BMW, Mercedes und Volkswagen. Am besten schnitt die Deutsche Telekom ab.
„Die schwache weltweite Konjunkturentwicklung hinterlässt zunehmend Spuren in den Bilanzen der Dax-Konzerne“, bilanzierte der Vorsitzende der EY-Geschäftsführung, Henrik Ahlers. Die Industrienachfrage bleibe auf einem niedrigen Niveau. In vielen Branchen seien Überkapazitäten, hohe Kosten und Preiskämpfe zu beobachten.
Auch ein Warren Buffett hat keine Glaskugel und weiß nicht, wann der Markt eine Wende vollziehen wird. Die Aufwärtstrends sind stabil und ein Bärenmarkt ist nicht in Sicht. Aber wie so oft an der Börse kann sich das Blatt schnell und heftig wenden.
Unabhängig davon, wie sich die Kurse entwickeln, ist es für Privatanleger wie für professionelle Investoren immer sinnvoll, über eine gewisse Liquidität zu verfügen. Nicht nur, um schwierige Zeiten zu überstehen, sondern auch, um mit vollen Händen zuschlagen zu können, wenn Aktien wieder günstig im Angebot sind.
Autor: Leon L. Bensch ☆ für aktienmitleon.de
☆ erstmals veröffentlicht am 20. Mai 2024
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