Autor: Leon L. Bensch
zuletzt aktualisiert am 6. August 2023
Neben meiner Arbeit als Autor und Redakteur begann ich aus der Vielzahl an Investoren-Büchern, die es zu kaufen gibt, einige zu lesen, manche sogar mehrmals. Unter ihnen befanden sich Bücher von André Kostolany, Charlie Munger, Warren Buffet, Howard Marks, George S. Clason, Mohnish Pabrai, William Green und Fred Schwed. Parallel dazu verfolgte ich das tägliche Börsentreiben samt Jubelreden, wenn die Kurse explodierten, und Trauerfeiern, wenn sie in die Tiefe stürzten.
Ich beobachtete Aktienkurse, studierte Analysen und stellte mir die Frage, wieso ich mir selbst noch nie die Frage gestellt hatte, ob die Aktien in meinem Depot, die seit Jahren vor sich hin schlummerten, geeignet waren, um mein Vermögen langfristig nicht nur gegen Inflation abzusichern, sondern mir für den Fall des Falles, mein Kreativitätsbrunnen würde eines Tages versiegen, ein geruhsames Rentnerdasein in finanziellem Wohlstand verschaffen konnten.
Meine Schlussfolgerungen lauteten: (1) Am Anfang ist jeder ein Börsen-Amateur. (2) In Aktien investieren kann jeder lernen. (3) Eine bessere Rendite zu erwirtschaften als der breite Markt sollte das Ziel eines jeden aktiven Anlegers sein, wenn er nicht vorhat sein Geld in ETFs oder Investmentfonds zu stecken.
Beim Lesen der täglichen Börsenberichte in den Medien stellte ich fest, dass eine Fülle an Informationen produziert wurde, die ein Mensch allein gar nicht lesen, geschweige denn verstehen und sinnvolle Schlussfolgerungen ziehen kann. Ich dachte eine Weile darüber nach, wie man auf bestimmte Weise sein Leben, und das, was man tat, mit dem Doppelleben an der Börse verbinden konnte, ohne dass das eine unter dem anderen litt. Während Analysten tagtäglich auf mehrere Monitore gleichzeitig mit endlosen Zahlen und Grafiken starrten, schaute ich auf einen Monitor mit Texten. Beides parallel war zweifelsohne unmöglich und hätte vermutlich den nachteiligen Effekt, beide Sachen schlecht zu machen.
Mein Denkprozess war ein langer Weg und ich dachte ernsthaft daran, ihn Schritt für Schritt aufzuschreiben, weil vermutlich jeder andere, der sich vorher noch nie mit Geld beschäftigt hatte, außer es auszugeben oder sich darüber zu wundern, warum es immer weniger wurde, früher oder später die gleichen Gedanken haben würde wie ich. Wer würde schon einen geliebten Job hinschmeißen, um als Trader an der Börse seine Brötchen verdienen zu wollen, nur weil die Leute in den Werbeanzeigen auf YouTube uns erzählen, dass das ganz einfach ist und sich unser Vermögen in kurzer Zeit vervielfacht? Vielleicht sind es sogar mehr als ich zu denken vermag.
Der Vorteil am vielen Lesen ist, dass vor einem im Dschungel redundanter Informationen manchmal beinahe erleuchtende Erkenntnisse auftauchen, so wie folgende: Ich las einen Investorenbrief von Chris Cerrone, der darin eindrücklich schildert, wie Entschlossenheit, weiterzumachen, ein äußerst wichtiger und nicht immer gut verstandener Aspekt von Dingen ist, die wir beginnen. Das, was Cerrone auf das Investieren bezieht, könnte gleichfalls ganz allgemein für menschliches Handeln gelten. Im Kern geht es Cerrone um die Kraft des Compoundings, also das Nicht-Verkaufen und das Aufzinsen und wie beides miteinander verbunden ist.
Hätten wir die Wahl zwischen zwei Geldsummen zu wählen: einer Million Dollar oder einem Penny, der sich 30 Tage lang jeden Tag verdoppelt. Was würden wir wählen? Ein Penny, der sich täglich verdoppelt, wäre nach der ersten Woche 1,28 Dollar wert. Nach der zweiten Woche 163,84 Dollar. Wahrscheinlich erahnen wir längst, dass nach 30 Tagen der Penny mehr wert ist, als die 1 Million Dollar.
Vermutlich wird uns das Ergebnis überraschen. Es stellt sich heraus, dass der Penny nach 30-facher Verdopplung 10.737.418,24 Dollar wert wäre. Allein in den letzten vier Tagen steigt der Wert des Pennys von weniger als 700.000 Dollar auf mehr als 10,7 Millionen Dollar.
Die Magie des Compoundings, wie Cerrone sie beschreibt, entfaltet sich erst mit Blick auf eine langfristige Perspektive. Würde man eine Perspektive in Abschnitte unterteilen, wäre der letzte Abschnitt der Entscheidende. Es erfordert Geduld vor allem am Anfang, in dem sich von Tag zu Tag nicht besonders viel verändert. Außerdem bewegen wir uns als Anleger an der Börse vor allem in einem täglichen Strudel aus Wirtschaftsinformationen, Börsenlärm und Marktturbulenzen. Diese Geduld aufzubringen, während sich in unserem Depot nicht viel ändern, ist eine Kunst. Aus diesem Grund habe ich den Titel meiner Anlagephilosophie Cerrones eindrucksvollen Investorenbrief entlehnt: Die Kunst (nicht) zu verkaufen.
Autor: Leon L. Bensch ☆ für aktienmitleon.de
☆ erstmals veröffentlicht am 6. August 2023
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