Autor: Leon L. Bensch
zuletzt aktualisiert am 07. Dezember 2022
Bevor ich eine Aktie kaufe, suche ich zuerst nach Gründen, warum ich sie nicht kaufen sollte. Fallen mir am Anfang direkt ein paar Dinge auf, die nicht in meine Anlagestrategie passen, kann ich mir weitere Recherchen sparen und sie direkt auf meine Underperformer-Liste setzen.
Eine Aktie dieser Kategorie ist die der Commerzbank. Mein erster Blick ist auf den Aktienchart gerichtet. Seit 2012 pendelt der Aktienkurs irgendwo zwischen 16 Euro zur Oberseite und 3 Euro zur Unterseite. Eine klare Richtung ist nicht zu erkennen. Bezieht man die Jahre 2005 bis 2010 in die Betrachtung mit ein, ist der Kurs langfristig abwärts gerichtet. Wenn man den Prognosen der Commerzbank Glauben schenken soll, wird in Zukunft ein Wachstum von ca. 30% pro Jahr erwartet. In der jüngeren Vergangenheit ist das nie eingetroffen. Warum sollte es dieses Mal so sein?
Die Commerzbank war eine der Banken, die im Zuge der Lehmann-Pleite und Bankenkrise 2008/09 vom Staat gerettet werden musste. Der Staat beteiligte sich mit einer stillen Einlage in Höhe von 16,4 Mrd. Euro. Im April 2011 zahlte die Commerzbank 14,3 Mrd. Euro an den Staat zurück. Dies finanzierte sie mit einer der größten Kapitalerhöhungsmaßnahmen der deutschen Geschichte. 11 Mrd. Euro kamen aus der Kapitalerhöhung und 3 Mrd. stammten aus der Reserve der Bank. Der Bankenrettungsfonds SoFFin erhielt 1 Mrd. aus dem Eigenkapital der Bank als Entschädigung für entgangene künftige Zinsen. Wenn das für eine Unternehmensbilanz nicht schon schlecht genug war, kam es 2013 noch schlimmer. Der Rest des Geldes, nämlich 1,6 Mrd. an die SoFFin und 750 Mio. Euro an die Allianz, wurde mittels weiterer Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht über 2,5 Mrd. Euro finanziert. Um das zu bewältigen wurde kein Aktiensplit durchgeführt, sondern eine Aktienzusammenlegung im Verhältnis 10:1. Jemand mit 10 Commerzbank-Aktien im Depot hatte nach der Zusammenlegung nur noch 1. Wäre diese Zusammenlegung nicht erfolgt, würde heute eine Aktie nicht 7,82 Euro kosten, sondern 78 Cent. Die Commerzbank wäre ein Pennystock.
Seit der Finanzmarktkrise konnte die Commerzbank an frühere Erfolge nicht mehr anknüpfen. Um die Bank zu sanieren, wurde unter anderem die Dividendenzahlung ausgesetzt. 9.600 Stellen wurden gestrichen. Der ehemalige Vorstandsboss Martin Zielke sagte damals, dass die Profitabilität der Commerzbank zu niedrig sei, das Geschäftsmodell zu komplex, die Strukturen nicht effizient und die Kosten zu hoch. Ehrliche Worte. In der Konsequenz daraus zog sich die Commerzbank als erstes aus dem für Commerzbank-Kunden unwichtigen Investmentbanking zurück.
Die Corona-Pandemie brachte ein weiteres schlechtes Jahr für die Commerzbank. Der neue Chef Manfred Knof rief trotz aller strukturellen Probleme zum größten Konzernumbau aller Zeiten aus, um die Geschäfte profitabler zu machen. Die Bank muss sich also nicht nur neu erfinden, sondern gleichzeitig die Probleme der Vergangenheit, der Pandemie, der Inflation und der drohenden Rezession bewältigen. Im zweiten Corona-Lockdown legte die Bank 1,5 Mrd. Euro zurück wegen drohender Kreditausfälle, die glücklicherweise ausblieben. Anfang 2022 beschloss die Commerzbank 600 Filialstandorte von insgesamt 1.000 aufzugeben. Damit reagierte die Bank viel zu spät auf das geänderte Kundenverhalten.
Die Digitalisierung der Finanzbranche hat die Commerzbank weitestgehend verschlafen. In den letzten 10 Jahren strebten immer mehr FinTechs auf den Markt, die eine mobile Generation von Smartphone-Nutzern ansprach. Nicht nur Bankgeschäfte wollten die Jungen so einfach wie möglich von überall aus abwickeln, sondern auch mit dem Handy bezahlen, Versicherungen abschließen, Aktien und Kryptos kaufen, und vieles mehr. Für all das hat die Commerzbank keine passenden Angebote. Aber auch ältere Kunden tätigen ihre Bankgeschäfte inzwischen am heimischen Computer und sind nicht mehr zwingend auf eine Filiale angewiesen.
Alle Umbaumaßnahmen kosten zunächst Geld und sparen, wenn alles gut läuft, auf Sicht der kommenden Jahre auf der Ausgabenseite. Wie die Commerzbank ihre Einnahmen erhöhen will, ist mindestens genauso herausfordernd. Die polnische mBank, an der die Commerzbank mehrheitlich beteiligt ist, hat Probleme bei Hypothekenkrediten gemeldet, woraufhin die Commerzbank weitere Rückstellungen in Höhe von 490 Mio. Euro gebildet hat. Statt Erträge bei der mBank in Höhe von 600 Mio. Euro zu erzielen, ist ein operativer Verlust von -529 Mio. Euro enstanden.
Dass die Capital Group, eine amerikanische Investmentgesellschaft mit einer langfristigen Strategie, im April 2022 im Namen nicht genannter institutioneller Investoren 72,5 Mio. Aktien der Commerzbank im Wert von 508 Mio. Euro sowie 116 Mio. Aktien der Deutschen Bank im Wert von 1,38 Mrd. Euro losgeschlagen hat, sagt schon einiges darüber aus, wie sie den Zustand der deutschen Bankenlandschaft betrachtet.
Wenn man auf den Umsatz schaut, spiegelt sich daran der Kursverlauf exemplarisch wider. Der Umsatz hat sich von 2012 von knapp 20 Mrd. Euro auf knapp 11 Mrd. im Jahr 2020 halbiert. Erst im Geschäftsjahr 2021 konnte ein Anstieg auf 12,1 Mrd. erreicht werden. 2020 betrug der Verlust -2,33 Euro pro Aktie. 2022 soll ein Gewinn von 0,94 Euro pro Aktie erzielt werden, für das kommende Jahr sollen es 1,21 Euro sein. Erstmals soll 2022 wieder eine Dividende in Höhe von 0,22 Euro pro Aktie gezahlt werden. Wir werden sehen, ob das so kommt. Mit einem KGV von 8, einem prognostizierten Wachstum von 28% und einem erwartete KGV von 6 scheint die Aktie günstig bewertet zu sein.
Für ein Investment in die Commerzbank-Aktie müsste sich meiner Meinung nach der positive Trend nachhaltig fortsetzen und angesichts der nicht gelösten Probleme und der starken Konkurrenz im Banken- und Finanzsektor die Lage grundsätzlich ändern. Genauer gesagt müsste ich auf einen Turnaround spekulieren. Wichtige Kriterien für die kommenden Jahre sind steigende Umsätze, steigende Gewinne und eine nachhaltige Steigerung der Profitabilität. In einer Zeit hoher Inflation, steigenden Energiekosten und möglichen Kreditausfällen von Firmen und Privathaushalten in 2023 rate ich zum jetzigen Zeitpunkt von einem Einstieg ab.
Disclaimer: Diese Publikation beinhaltet weder Anlagestrategieempfehlungen noch Anlageempfehlungen gemäß § 85 WpHG und Artikel 20 der Marktmissbrauchsverordnung. Sie erfüllt deshalb nicht die gesetzlichen Anforderungen zur Gewährleistung der Objektivität von Anlagestrategieempfehlungen/Anlageempfehlungen.
Autor: Leon L. Bensch ☆ für aktien-buddy.de ☆ erstmals veröffentlicht am 07. Dezember 2022
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